Nachruf auf Pfarrer Karl Brünnler

Ende Dezember starb Pfarrer Karl Brünnler, der seinerzeit letzte „eigene“ Pfarrer der Stahnsdorfer Kirchengemeinde „St. Mariä Verkündigung“.

Am 10. Januar wurde er in Schmölln, wo er zuletzt lebte, beigesetzt.

Pfarrer Brünnler gehörte zu den Geistlichen, die aus ihrem seelsorglichen Wirken keine außerordentlich bemerkenswerten Dinge vorzuweisen haben. In etwa so zitierte der Geraer Dekan, Pfarrer Bertram Wolf, den verstorbenen Priester in seiner Predigt beim Requiem in der Schmöllner Maria-Immaculata-Kirche. Dabei stammte die Aussage aus dem geistlichen Testament und bezog sich auf das Evangelium, das Karl Brünnler für seine eigene Beerdigung ausgewählt hatte. Das Gleichnis vom Herrn und Knecht aus dem 17. Kapitel des Lukasevangelium illustriert Pfarrer Brünnlers lebenslange Dienstauffassung, die sein seelsorgliches Handeln prägte. Wer immer auf das Stahnsdorfer Pfarrgrundstück kam, erlebte einen zurückhaltenden, aber immer freundlichen Priester, der den Menschen zugewandt war und mit seiner humorvollen, aber nie aufdringlichen Art die Gemeinde zusammenhielt.

Schwerer Anfang

Dabei hatte es Karl Brünnler nicht leicht, als er die Stelle in Stahnsdorf antrat. Unter seinem Vorgänger Leonhard Fethke hatte die Gemeinde eine intensive und äußerst aktive Zeit erlebt. In Eigenleistung, zunächst ohne offizielle Baugenehmigung, hatten Gläubige und Pfarrer um die baufällige Holzkapelle einen ansprechenden Kirchenraum gebaut. Die bescheidene Pfarrwohnung, die sich an Gottesdienstraum und Sakristei anschloss, hatte Pfarrer Fethke nur anderthalb Jahre bewohnen können, als er 1977 die Versetzung nach Templin erhielt. Die Enttäuschung in der Gemeinde war groß, Karl Brünnler gewann aber nach und nach die Herzen Vieler. Neben seiner Liebe zur Liturgie profitierte die Gemeinde von seinen vielen musikalischen Fähigkeiten wie von seinem handwerklichen Geschick. An seiner ersten Kaplansstelle, so erzählte er, sei er seinem Pfarrer besonders als Besitzer einer Bohrmaschine willkommen gewesen.

Vielfältige Aufgaben

Die überschaubare Gemeinde in Stahnsdorf war nicht die einzige Aufgabe, die Karl Brünnler zu übernehmen hatte. Wie sein Vorgänger hatte er einige Kaplansdienste in der Babelsberger Nachbarpfarrei zu übernehmen, hielt die Messen im berühmten Eisenbahnwaggon in Kienwerder, der dort als Notkapelle diente, und begleitete die Teltower Pfarrjugend. Zeitweise war er sogar Dekanatsjugendseelsorger. Eine immer offene Tür hatte der Pfarrer auch für die katholischen Soldaten, die in der Stahnsdorfer NVA-Kaserne ihren Grundwehrdienst ableisten mussten. Die Lage der Kirche an der Marschstrecke zwischen den beiden Militärobjekten in der Zillestraße und am Güterfelder Damm war dabei hilfreich und sorgte für regelmäßige Verstärkung der Pfarrjugend.

Ungebetene Gäste

Einen besonderen „Exorzismus“ nahm Pfarrer Brünnler in seinen Anekdotenschatz auf. Dabei ging es nicht um die Austreibung böser Geister: der unerwünschte Gast war ein Marder, der sich über der Pfarrwohnung eingenistet hatte und dem Pfarrer den Schlaf raubte. Das Ausquartieren war aufwendig, bot doch der Waldcharakter des Kirchengrundstücks an der Friedrich-Naumann-Straße Lebensraum und gleich mehrere Gelegenheiten, in das Gebäude einzudringen. Mit Blechen versperrte der Pfarrer den Hauptzugang für den Marder, der an den Ecken mühelos den Rauhputz als Kletterstrecke genutzt hatte. Die Toleranzgrenze des großzügigen Geistlichen war endgültig überschritten, als der Marder durch die Dämmung der abgehängten Decke direkt in das Wohnzimmer pinkelte. Als alle über das Dach hängenden Kiefernäste abgesägt waren, kehrte endlich Ruhe ein.

Abschied und bleibender Kontakt

In den Gottesdiensten, besonders an den Werktagen, spielte Karl Brünnler selbst die Orgel, wenn – wie so oft – kein Organist verfügbar war. Das kleine Schrankinstrument wurde dazu neben dem Altarraum platziert. Orgelschülern bot er aber auch Übungsmöglichkeiten, wovon die Pfarrei bis heute profitiert. Die Verbindungen zu den Nachbargemeinden nutzten den Stahnsdorfer Kindern, die in Teltow oder Babelsberg die Religiöse Kinderwoche miterlebten. Die Anfahrt löste gelegentlich Erstaunen bei Passanten aus, wenn aus dem Trabant neben dem Pfarrer bis zu acht Kinder ausstiegen.

Nach nur sechs Jahren wurde Karl Brünnler die Verantwortung für die Gemeinden in Birkenwerder und Hohen Neuendorf übertragen. Stahnsdorf verlor damit den letzten am Ort lebenden eigenen Seelsorger. Viele Gläubige blieben mit ihm in Verbindung, teils über viele Jahre. Mit seinen alljährlichen Weihnachtsbriefen ließ er an seinen Gedanken und seinem Leben teilhaben – nie ohne augenzwinkernden Humor. So schrieb er zu Weihnachten 1988, er habe eine Kiste Sekt verloren, weil er gewettet habe, dass es unmöglich sei, einen Bischof aus dem Osten in den Westen zu versetzen, wie es mit dem Wechsel Kardinal Meisners von Berlin nach Köln geschehen war. Nun suche er jemanden, der darum wetten wolle, ob dasselbe auch bei einem Pfarrer möglich wäre. Ein Jahr später war die Mauer gefallen und Karl Brünnler hätte auch diese Wette verloren.

Diasporaseelsorger

Als Seelsorger war er immer im Osten geblieben, ja er gehörte sogar zu den wenigen Berliner Priestern, die ausschließlich außerhalb des Berliner Stadtgebiets tätig waren. Jahre als Kaplan in Hennigsdorf, Wittstock und Pasewalk sowie als Kuratus in Gramzow lagen vor der Stahnsdorfer Zeit, zuletzt war er bis 2003 Pfarrer in Schildow. Der Diasporaseelsorger ging im Ruhestand zunächst nach Böhlen und übernahm dann von 2005 bis 2012 den priesterlichen Dienst in Olbernhau im Erzgebirge. 2012 zog er nach Schmölln. Im selben Jahr feierte er sein goldenes Priesterjubiläum in seiner nordböhmischen Heimat in der Kirche von Komotau. Hier war er am 28. Dezember 1934 geboren worden, von hier wurde er als Kind mit seiner Familie vertrieben und landete in Garz auf der Insel Rügen. Der Glaube gab dem Leben der Entwurzelten Halt. Für Karl Brünnler führte der Weg von der Schulbank über das Sprachenkonvikt ins Theologiestudium. Mehr als 60 Jahre diente er Christus, der Kirche und unzähligen einzelnen Gläubigen. Sein diamantenes Weihejubiläum konnte er bei altersgemäß recht guter Gesundheit in Schmölln feiern. Einen Tag nach seinem 89. Geburtstag starb Karl Brünnler im Krankenhaus in Altenburg.

Thomas Marin