Predigt, 1. August 2015
Der syrisch-katholische Erzbischof Flavien Joseph Melki aus Beirut feierte mit uns am 1. August 2015 die Heilige Messe, in St. Thomas Morus Kleinmachnow. Im anschließenden Vortrag berichtete er zur Lage der Christen im Nahen Osten. Nachfolgend finden Sie seine Predigt.
Predigt in der Kirche St. Thomas Morus zu Kleinmachnow
(Erzbistum Berlin) am Samstag, den 01. August 2015
(18. Sonntag im Jahreskreis; Lesejahr B)
Lieber Herr Pfarrer Michael Theuerl,
meine lieben Brüder und Schwestern,
als Bischof der syrisch-katholischen Kirche von Antiochien im Libanon, freut es mich sehr, dass ich heute, auf Einladung von Pfarrer Michael
Theuerl, hier in der Kirche von Kleinmachnow, welche dem heiligen Thomas Morus geweiht ist, die heilige Eucharistie zelebrieren und Ihnen das
Wort Gottes verkündigen darf.
Im heutigen Evangelium werden wir mit jener Sehnsucht konfrontiert, welche die versammelte Menschenmenge verspürte, um ihren Meister
Jesus Christus begegnen und sehen zu können. Diese Begebenheit ereignet sich am Ufer des Sees von Tiberias, der unter anderem auch der
See von Genezareth genannt wird und nördlich von Israel gelegen ist. Zudem ist diese Gegend auch nicht weit von Tyrus und Sidon entfernt,
das sich geographisch auf dem Gebiet des heutigen Libanon erstreckt.
Ausgehend von diesem historischen Ort, suchten sie nun Jesus mit seinen Jüngern und weil sie ihn dort nicht finden konnten, entschieden sie
sich alle, auf die andere Seite des Sees zu fahren. Als sie dort ankamen, waren sie zunächst erstaunt, weshalb sie gerade dort in dieser
einsamen Gegend, fernab der Menschenmenge, den Herrn und seine Mitstreiter antrafen.
Verständlicherweise benötigte Jesus zusammen mit seinen Jüngern ein wenig Ruhe, um sich von den Mühen und Strapazen des Tages zu
erholen, ehe erneut das Volk ratsuchend zu ihnen kommt, um ihnen ihre Sorgen und Nöte anzuvertrauen. Jedoch hat der Heiland in der
heutigen Evangelienpassage keine Wunder an jenen Suchenden gewirkt, da er bei diesen erkannte, dass sie sich nur in rein physischen Nöten
und keinerlei seelischen Notlagen befanden. Aus diesem Grund sprach er auch zu ihnen:
“Amen, amen, ich sage euch: Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt
geworden seid” (Joh 6,26).
Meine lieben Brüder und Schwestern, bei näherer Betrachtung dieser Textpassage des Evangeliums werden wir unschwer feststellen, dass
auch wir dieser genannten Volksmenge sehr ähnlich geworden sind, weil wir allzu oft Gott darum bitten, dass er gleichsam unsere physischen
Nöte erhören und lindern möge, wobei wir niemals vergessen dürfen, dass unsere seelische Hilflosigkeit unsere menschliche Existenz weit
mehr dominiert als alle materiellen Sorgen.
Den Hunger, welchen wir gleichsam täglich verspüren, ist von spiritueller Natur, indem wir unermüdlich Gottes Lob erschallen lassen sowie von
ihm reiche Gnaden und seine immanente Hilfe, aber auch dessen Vergebung erbitten. Ebenso sehnen wir uns, sein göttliches Brot, als seinen
Leib, zu empfangen und als Gestus der Nächstenliebe unseren Geschwistern in Not, aktuell insbesondere den Christen im Orient, zu helfen, um
deren schmerzliche Leiden und Gebrechen zu lindern. Bei alledem müssen wir stets die Erinnerung an jenes Herrenwort bewahren, welches
lautet: “Denn das Brot das Gott gibt, kommt vom Himmel herab und gibt der Welt das Leben. [ … ]. Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir
kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben“ (Joh 6,33-35).
Analog können wir eine Parallele zu jenem Ereignis ziehen, bei dem Jesus, jener Frau begegnet ist, die am Jakobsbrunnen Wasser schöpfte
und welche er gebeten hat, ihm trinken zu geben. In diesem Kontext sprach der Herr zu der samaritanischen Frau: “Wer von diesem Wasser
trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben“ (Joh 4,13f.). In
dieser wunderbaren Aussage, zeigt sich jene göttliche Gnade, die uns gleichsam in Jesus selbst vom Vater geschenkt worden ist, aber nicht
jene Menschen besitzen und erfassen können, die nicht an den Messias glauben und ihn noch nicht erkannt haben. Hierbei gilt es den Blick zu
weiten und die Grenzen des Natürlichen zu überschreiten, um offen und bereit zu sein zur Schau des Transzendenten.
Beim meditieren dieser Worte, habe ich stets das Bild des Terrors vor Augen, der den ganzen Nahen Osten, durch eine Ideologie des Hasses
und der Zerstörung, beherrscht, da sie weder den göttlichen Vater noch seinen Sohn Jesus Christus als unseren Erlöser und Heiland, der das
göttliche Geschenk des Heils ist, anerkennt. Exemplarisch muss an dieser Stelle als Garant von Stärke und Gewalt des Bösen, jener
fundamentalistische Islam genannt werden, der im Konstrukt der Armee des islamischen Staates von Irak und Syrien, konkret und sichtbar wird.
Seit mehr als 10 Jahren, als die Vereinigten Staaten von Amerika in den Irak einmarschierten, um sinnloserweise die Demokratie zu etablieren,
ist der Irak in zwei Teile, einen sunnitischen und schiitischen, gespalten worden und die Christen sind dieser Situation anheim gefallen. Durch
ihre Intervention haben die Amerikaner das Fundament für Krieg, Destruktion und Tod im Irak gelegt. Durch jene instabilen Verhältnisse wurde
der Islamische Staat (IS) ermutigt, ihre zerstörerische und fundamentalistische Ideologie zu verbreiten. Somit werden die Christen im Orient
heutzutage zunehmend von den Kämpfern des Islamischen Staates, der keine Barmherzigkeit und Nächstenliebe kennt, verfolgt und vertrieben.
Bei der Isis handelt es sich um ein Übel und eine Prüfung zugleich, welche den gesamten Orient aber gewiss auch den Okzident betrifft. Diese
islamische Armee hat während einer Nacht, den gesamten Nordirak, wo 130 000 Christen lebten, evakuiert und alle hiesigen Christen
vertrieben. Daraufhin mussten jene in die kurdischen Gebiete fliehen und dabei ihre ganze Habe zurücklassen, um sich dort eine neue Existenz
zu errichten.
Aktuell befindet sich die Armee des islamischen Staates, die sogenannten Gotteskrieger, welche den Dschihad praktizieren und propagieren
auch in Syrien und in absehbarer Zeit werden sie nach und nach andere Staaten einnehmen. Jedoch dürfen wir angesichts dieser tristen
Tatsache nie vergessen, dass unser Gott, ein Gott der Liebe ist und nicht der Spirale von Hass und Gewalt und daher jene Anhänger dieser
fanatischen Bewegung von einem völlig falschen Gottesbild getrieben und geleitet werden.
Die Christen hingegen sympathisieren mit dem Assad-Regime und möchten verhindern, dass es fällt, da es ihnen bislang den größtmöglichen
Schutz gegen Islamisten und Dschihadisten geboten hat. Auch viele Priester und sogar zwei syrisch-orthodoxe Bischöfe sind verschleppt
worden und bislang hat niemand mehr eine Nachricht von ihnen erhalten, da sie sich in der Hand des islamischen Staates befinden.
Darüber hinaus sind im Zuge der Unruhen in Syrien vier Millionen syrische Flüchtlinge in Jordanien, Libanon und anderen Ländern sesshaft
geworden. Im Libanon leben davon etwa 1 ½ Millionen Flüchtlinge, deren Zahl täglich ansteigt. So kamen auch über 10 000 christliche Familien
aus Syrien und dem Irak, von verschiedenen orientalischen Kirchen, die Hilfe benötigen, zu uns in den Libanon, um ein Obdach durch die
Kirche, die über keine finanziellen Mittel verfügt, gewährt zu bekommen. Sie kamen völlig mittellos, haben alles verloren, zum Teil sind ihre
Häuser ausgebrannt und geplündert worden und mussten zudem alles was sie besaßen zurücklassen, um im Libanon sich eine neue Existenz
aufzubauen. Daher erwarten sie stets die Solidarität ihrer christlichen Schwestern und Brüder in Europa, da sie derzeitig auf Ihre aller Hilfe
angewiesen sind.
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Nach den dramatischen Verhältnissen in Syrien und im Irak führt es mehr und mehr zu einen Religionskrieg und verursacht dadurch eine
Unsicherheit im Libanon sowie eine Spannung zwischen den beiden muslimischen Konfessionen der Sunniten und Schiiten, wovon letztere
über eine gut organisierte, bewaffnete Armee verfügen und Kämpfer nach Syrien schicken, um das dortige Regime zu unterstützen. Aufgrund
dieser Situation konnten im Libanon bislang immer noch keine Präsidentschaftswahlen stattfinden.
Auf der anderen Seite, provozieren eine große Anzahl syrischer und irakischer Flüchtlinge die Instabilität und die Kriminalität, wodurch eine
große Unzufriedenheit und Angst unter der Bevölkerung hervorgerufen wird. In dieser schwierigen Situation bittet die Kirche die Gläubigen um
Gebet und Anbetung.
Liebe Brüder und Schwestern, wie die Kirche im Westen vor großen Herausforderungen steht, hat unsere östliche Kirche, wie Sie sehen, auch
ungelöste Probleme zu bewältigen. Dabei dürfen wir jedoch nicht vergessen für den Frieden im Nahen Osten zu beten und die Hoffnung auf
diesen aufzugeben. Zudem sind wir uns der Worte Jesu bewusst, die er uns gelehrt und versprochen hat: “Frieden hinterlasse ich euch, meinen
Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch“ (Joh 14,27).
Die Christen im Orient bitten um ihr Gebet und hoffen auf Ihre geschwisterliche Solidarität und Unterstützung, insbesondere in dieser
dramatischen Situation, da viele ihre Heimat verlassen mussten und zu uns in den Libanon geflohen sind, um ein Obdach und eine Versorgung
gewährt zu bekommen.
Aber auch heute können wir mit der Hilfe Gottes und auf die Fürsprache Mariens alle Gefahren und Stürme überwinden, weil uns die Gewissheit
geschenkt ist und der Herr uns selbst versprochen hat: “Fürchtet Euch nicht, denn ich bin bei Euch alle Tage bis zum Ende der Welt.” (Mt 28,20b). Amen!